„Dicke Bretter müssen gebohrt werden“ kündigte Langeoogs Bürgermeisterin Heike Horn auf dem Neujahrsempfang der Inselgemeinde mit Blick auf Erlebnisbad, Kur- und Wellness-Center (KWC) und Haus der Insel (HdI) für 2020 an. Durchdachte Maßnahmen hätten dabei aber Vorrang, dem großen Druck schnelle Lösungen herbei zu führen würden Rat und Verwaltung daher nicht nachgeben. Dennoch sei geplant, den neuen Anwendungsbereich im Erlebnisbad bis Herbst in Betrieb zu nehmen, für das HdI strebe sie eine Lösung ohne Veräußerung an.
Wegen des enormen Andrangs hatte der Neujahrsempfang mit Verspätung angefangen. Als alle Gäste Platz genommen hatten, eröffnete der Shantychor „De Flinthörners“ um Chorleiterin Puppa Peters traditionell die Veranstaltung und kündigte durch eine kleine Textänderung im plattdeutschen „Kap Horn“ an, nun mit Frau Horn zu segeln. Auf die Bühne kamen dann die Sternsinger um Susanne Wübker und Regina Willenberg, um mit einem Lied den Segen für das HdI, die Insel und die Bürgermeisterin zu bringen. Die Angesprochene bedankte sich bei beiden Gruppen herzlich.
Traditionell werde die Neujahrsansprache genutzt, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Da sie jedoch erst seit November im Amt sei, kündigte sie für dieses Mal einen Jahresrückblick der besonderen Art, geprägt von Innen- und Außenansichten an.
Die Schiffahrt habe 2019 244.000 Übernachtungs-, 171.000 Tagesgäste und 8.444 Hunde sicher von und zur Insel befördert. Im Sinne von „…nicht reden, sondern handeln…“ sei dabei Mitte des Jahres auf deutlich umweltfreundlicheren synthetischen Diesel umgestellt worden. Der aktuelle Brückenbau stelle eine finanzielle und logistische Herausforderung dar. Dank der Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe es zum Jahreswechsel kaum Beschwerden und sogar vielfach Lob gegeben. "Nichtsdestotrotz muss einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder sehr deutlich vermittelt werden, dass Dienstleistung etwas mit Freundlichkeit und Aufmerksamkeit zu tun hat." fügte Heike Horn an.
Langeoog habe 2019 1,62 Mio. Übernachtungen verzeichnet, eine Leistung, die nur möglich sei, wenn alle öffentlichen und privaten Dienstleister an einem Strang zögen. Bürgermeisterin Horn freue sich, dass der Tourismus-Service Langeoog ab Mitte Januar eine neue Leitung bekomme, mit der Rat und Verwaltung mit neuen Strukturen das Defizit von zuletzt 1 Mio. Euro verringern wollen. Auch der Bereich Öffentlichkeitsarbeit solle zeitnah besetzt werden.
Die Inselgemeinde habe im Rahmen ihrer Aufgabe der Daseinsvorsorge 2019 zwei große Projekte umgesetzt, auf die alle Langeooger stolz sein können. Die moderne Klärschlammtrocknung und die neue Feuerwehr suchten ihresgleichen in nah und fern. Zudem sei der Kanalbau im Vormann-Otten-Weg erledigt und die Erschließung des Internatsgeländes und der Kanalbau in der Störtebeker- und Kirchstraße begonnen worden.
Finanziell könne die Gemeinde aktuell zwar nicht klagen, die Bürgermeisterin erinnerte aber daran, dass die Eigenbetriebe in das Gesamtbild des Haushaltes einbezogen werden müssten und der Entschuldungsvertrag mit dem Land weiter bestehe. Daher wären ihr und der Insel die kommenden Herausforderungen gerne erspart geblieben.
Die Situation rund um den Neubau des Anwendungsbereiches im Erlebnisbad sei geprägt von Schuldzuweisungen, fehlenden Zuständigkeiten und angeblicher Ahnungslosigkeit. Fest stehe, dass die handelnden Personen offenbar ab einem gewissen Zeitpunkt überfordert waren und ihre Kompetenzen überschritten hätten. Von einem zielgerichteten, ordentlichen Bauprozess konnte keinerlei Rede mehr sein: "Geschweige denn von einer Kontrolle. Verantwortung will keiner übernehmen." Es werde fleißig geklagt und aus ihrer Sicht sei in dieser Situation nur noch Schadensbegrenzung möglich. Es werde weiter gebaut, denn die Baustelle sei für Gäste und Insel eine Zumutung. Es sei geplant, den neuen Kur- und Wellness-Bereich im Herbst in Betrieb zu nehmen.
Daraus ergebe sich die Frage, wie es mit dem KWC weiter gehe. Dies entspreche energetisch und von der Flächennutzung her nicht den Anforderungen und sei finanziell schwer zu beherrschen. Allein die Abschreibungen belasten den Gemeindehaushalt mit 220.000 Euro pro Jahr.
Das HdI sei oft totgesagt; ein aussagekräftiges Gutachten liege aber nach ihren bisherigen Erkenntnissen nicht vor. Sie sei nicht bereit, das Grab für das HdI zu schaufeln, vielmehr müssten die Wiederbelebungskosten ermittelt werden. Sie stehe dafür, das Haus auf keinen Fall zu veräußern und daher freue sie sich, dass ein Investor des letzten Interessenbekundungsverfahrens in einem unverbindlichen Gespräch Bereitschaft signalisiert habe, an der besten Lösung für Langeoog mitzuwirken. "Dies kann ein Verkauf sein, muss aber nicht. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass Rat und Verwaltung diesen Prozess gemeinsam mit Ihnen, liebe Langeoogerinnen und Langeooger, gestalten werden."
Ein wichtiges Thema bleibe der Mietwohnungsbau, die private Wohnungsbaugenossenschaft „Uns Oog“ sei ein erster Schrit. Das ehemalige Internatsgelände müsse im nächsten Schritt insgesamt erschlossen werden, z. B. mit Mietwohnungen und einem Ärztehaus. Als nicht förderlich kritisierte Heike Horn, wenn Zweitwohnungsbesitzer die Bürgermeisterin anschreiben, weil hiesige Makler Ihnen raten ihre Immobilie sofort zu verkaufen, weil die Uns Oog Häuser die Sicht versperren und die Landschaft verschandeln würden. "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt." fügte sie an. Zum anderen widersprach sie klar Gerüchten, sie wolle das genossenschaftliche Projekt zum Scheitern bringen. Das Gegenteil sei der Fall, aus doppeltem Grund sei sie interessiert es schnellstmöglich fertigzustellen: "Ich habe eine Fürsorgepflicht für meine Bürger - und zum anderen als potentielle zukünftige Bewohnerin." Das teile sie im Sinne der Transparenz, die sie versprochen habe, mit. „Wahrheit kann aber unbequem sein“, fügte sie an. Der im Oktober von der Verwaltung vorgelegte Erbauvertrag habe nicht die Kriterien erfüllt, um die höchstmögliche Sicherheit für die Inselgemeinde abzubilden. Sicherheit, dass der Wohnraum ausschließlich für Insulaner genutzt wird und die Gemeinde auch eine verbriefte Kontrollfunktion hat. Zudem habe die Baustelle vorübergehend aus Haftungsgründen stillgelegt werden müssen.
Langeoogs Stärke seien die Vereine und Clubs, Vereinigungen und ehrenamtlich aktive Menschen, sowohl kulturell, als auch sozial. Wenn die Umwandlung von Dauerwohnraum in Ferienwohnung nicht gestoppt werde, sei die Sozialstruktur aber gefährdet, daher rief sie die Vermieter der Insel auf, auch Teil der Gemeinschaft zu sein, die die Insel trage. Und so solle jeder nachdenken, ob er Dauermietwohnraum anbieten könne.
Für diese Insel freue sie sich auf den neuen Dorfplatz, bekannte sich zum Seniorenhus „bliev hier“ und zum Jugendhaus am Meer und gleichzeitig müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, ein Wachstum der tragfähigen Gemeinschaft zu erreichen. Sie rief dazu auf, sich in der Freiwilligen Feuerwehr zu engagieren, damit diese eine ausreichende Personalstärke vorweisen könne.
2019 habe es zwar viele negative Schlagzeilen, aber auch eine breite positive mediale Präsenz gegeben. Sie dankte allen, die sich um die Beiträge in der Sendung mit der Maus, dem Kika, in mareTV, eine Folge der SOKO Wismar, Judith Rakers Inselgeschichten, dem perfekten Dinner und vielem mehr bemüht hätten. Dieser Einsatz sei sehr gut für Langeoog.
Die Insel lebe von der Vielfalt der Menschen, stellte sie zum Abschluss ihrer Ansprache fest und rief dazu auf, alle konstruktiv und ehrlich in den Dialog um Zukunftslösungen einzubeziehen, das müsse auch für die leisen Stimmen gelten. Bürgermeisterin Horn lud alle ein, am 5. Februar ab 19.30 Uhr auf gemeinsame Lösungssuche zu gehen.